Triebwagen der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft zwischen 1924 und 1930
"Infolge der zunehmenden Verbreitung der Kraftwagen, insbesonders auch im Ueberlandverkehr, müssen die Bahnverwaltungen heute mehr und mehr dazu
übergehen, durch eine dichtere Zugfolge auch auf verkehrsarmen Strecken oder außerhalb der Hauptverkehrszeiten dem vorhandenen Verkehrsbedürfnis
Rechnung zu tragen. Die Verwendung normaler Dampfzüge kommt hierfür nicht in Betracht, da ihre Einheit zu groß ist, um stets voll ausgenützt werden zu können.
Der gegebene Ersatz hierfür ist der Triebwagen, bei welchem Zugmaschine und Wagen vereinigt sind. Die Triebwagen, welche teils allein, teils mit Anhängewagen
fahren, passen sich den Schwankungen des Verkehrs gut an und sind in den meisten Fällen im Stande, solche unwirtschaftlichen Dampfzüge in durchaus
befriedigender Weise zu ersetzen."
(Aus der „Beschreibung und Bedienungsvorschrift für den dieselmechanischen Maybach-Triebwagen Type: T1 G4b und T2 G4b“)
Benzolmechanischer Triebwagen Hannover 761 (Bauzustand 2005) Foto: C. Blanke
Nach dem I. Weltkrieg standen für die Kraftomnibusse betriebstüchtige Motore sowie Getriebe zur Verfügung, welches verstärkt zur Konkurrenz für die Eisenbahn
führte. Insbesondere auf Nebenbahnen wurde der Verkehr im Form von GmP abgewickelt, welches sich für die Reisenden zeitraubend auswirkte. Um die zu-
nehmende Konkurrenz abzuwehren, war der Einsatz billigerer und ständig einsatzbereiter Verkehrsmittel erforderlich.
Von den Länderbahnen übernahm die DRG 166 Akkumulatortriebwagen sowie 22 Verbrennungstriebwagen. Die Dampftriebwagen sowie benzolelektrischen Trieb-
wagen galten als veraltet. Benzolmechanische Antriebe hatten nach dem I.WK große Fortschritte gemacht, die deutsche Waggonindustrie lieferte zahlreiche
Verbrennungstriebwagen an in- und ausländische Kleinbahnen. Dieselmotore hingegen wurden auf Grund ihrer noch zu hohen Eigenmasse als ungeeignet
betrachtet.
"Die benzolelektrischen Triebwagen haben sich infolge vieler Schäden und hoher Kraftstoffkosten nicht bewährt. ... Dagegen ist die Verwendung benzol-
mechanischer Triebwagen ins Auge gefaßt."
(Geschäftsbericht der DR, 1921)
Ein Wendepunkt für den Triebwagenbau war die Eisenbahntechnische Ausstellung 1924 in Seddin. Auf dieser wurden acht Verbrennungs-triebwagen vorgestellt,
davon sieben Triebwagen mit Vergasermotor. Mehrere Fahrzeug wurde von der DRG erprobt, eines davon als VT 851 übernommen. Dieses von der Waggonfabrik
Wismar gebaute Fahrzeug besaß erstmals einen für Triebwagen entwickelten Dieselmotor. Weiterhin erhielt dieses Fahrzeug ein für Triebwagen speziell
entwickeltes Getriebe, da sich die vor dem I. WK verwendeten benzolelektrischen Antriebe nicht bewährten. Zudem lagen nach damaligen Stand der Technik die
Anschaffungskosten einer elektrischen Kraftübertragung drei- bis viermal höher als bei der mechanischen. Dieser dieselmechnische Triebwagen bewährte sich im
Einsatz, so dass eine größere Anzahl an Fahrzeugen dieser Bauart bei der DRG in Betrieb genommen wurde. Gleichzeitig wurde der Dieselmotor als Antrieb, das
mechanische Getriebe zur Kraftübertragung richtungsweisend für den Triebwagenbau der kommenden Jahre. Aber auch von den anderen vorgestellten Triebwagen
gelangten einige als weiterentwickelte Fahrzeuge bei der DRG zum Einsatz.
Die im gleichen Zeitraum in Betrieb genommenen benzolmechanischen Triebwagen bewährten sich hingegen nicht. Die Motore waren weniger robust wie Diesel-
motore, zudem lagen die Betriebskosten mit Benzol über den von Diesel. So dass die benzolmechanischen Triebwagen bei der DRG oft nach recht kurzer Zeit
ausgemustert oder auf Dieselmotore umgerüstet wurden.
Die erste nummernmäßige Zuordnung der Triebwagen traf keine Zuordnung der Fahrzeuge nach ihrer maschinenmäßigen Ausrüstung. Es erfolgte eine Einteilung
nach der Bauart des Motors sowie in zwei- oder mehrachsige Bauarten der Triebwagen mit den Betriebsnummern 701 bis 900. Hierbei wurden 2-achsige
Benzoltriebwagen in die Nummern 701 - 750, 4-achsige Benzoltriebwagen in die Nummern 751- 800, 2-achsige Dieseltriebwagen in die Nummern 801 - 850 sowie
4-achsige Dieseltriebwagen in die Nummern 851- 900 eingereiht.
Die auf der Eisenbahntechnischen Ausstellungen ausgestellten Fahrzeuge wurden in zahlreichen Publikationen, so in "Eisenbahntechnische Ausstellung Seddin
1924" (Stuttgart 1985), einem Nachdruck des Ausstellungsführers von 1924 vorgestellt. Ausführlicher werden diese im weiteren als "Firmenbauarten" bezeichnet in
"Der Eisenbahn-Öltriebwagen" (Leipzig 1926) behandelt. Die in den nachfolgenden Jahren von der DRG beschafften Triebwagen finden sich in "Die Triebwagen
der Deutschen Reichsbahn im Bild” (Darmstadt 1930).
Die Deutsche Reichsbahn
Deutsche Reichsbahn - DR (1920 - 1924)
Die Notwendigkeit einer Zusammenlegung der Eisenbahnverwaltungen trat während des I. Weltkriegs offen zutage. Die Verfassung des Deutschen Reiches von
1919 bestimmte, dass die dem Allgemeinen Verkehr dienenden Eisenbahnen in das Eigentum des Reiches zu übernehmen und als einheitliche Verkehrsgesellschaft
zu verwalten seien. Durch den Staatsvertrag vom 30. April 1920 zwischen dem Reich und den Ländern Baden, Bayern, Hessen, Mecklenburg, Oldenburg, Preußen,
Sachsen und Württemberg wurden die Staatseisenbahnen rückwirkend zum 1. April 1920 auf das Reich übertragen.
Nachdem die Reichseisenbahnen 1923 nur ein Drittel ihrer Kosten selbst erwirtschaften konnte, wurde diese vom Staatshaushalt zu entkoppelt und im Gegenzug
alle Zuschüsse gestrichen. Zu diesem Zweck wurde im Februar 1924 eine Verordnung erlassen, die der Verwaltung weitgehende Autonomie von der Staats-
verwaltung gewährte.
Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft - DRG (1924 - 1937)
Der 1924 entwickelte Dawes-Plan sah unter vor, die Reichseisenbahnen komplett an die Reparationsgläubiger zu verpfänden. Die Reichsregierung erließ daraufhin
am 12. Februar 1924 die Verordnung zur Schaffung der Deutschen Reichsbahn als staatlichem Unternehmen. Da den Reparationsgläubigern diese Maßnahmen
nicht weit genug gingen, wurde am 30. August 1924 das Gesetz zur Gründung der privat-wirtschaftlichen „Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft“ (DRG) zum Betrieb
der Reichseisenbahnen erlassen und das Staatsunternehmen "Deutsche Reichsbahn" wiederum aufgelöst. Gleichzeitig mit diesem Gesetz wurde die Gesellschaft
mit einer Schuldverschreibung in Höhe von elf Milliarden Goldmark belastet. Die Weltwirtschaftskrise und die ständigen Geldabflüsse durch die Reparations-
leistungen (etwa 660 Millionen Reichsmark jährlich) belasteten die Reichsbahn erheblich. Erst 1931 wurde die Reichsbahn durch das Lausanne-Abkommen von
ihren finanziellen Verpflichtungen befreit.
Wenn auch nicht korrekt, werden im weiteren bei den Modellbeschreibungen sowie in den Bauberichten alle Fahrzeuge beschafft im Zeitraum zwischen 1920 bis
1945 bzw. Modellausführungen dieses Zeitraums als DRG beschrieben bzw. bezeichnet.
DRG bis 1930